Remembrance Day und der Ausflug mit dem gelben Schulbus

Puuuh was ist es lange her, dass ich einen Blogeintrag verfasst habe. Ich hab mir echt vorgenommen, das häufiger zu tun, aber dann kommt irgendwie doch immer ein Schulprojekt, Hausaufgaben, Sport, Treffen mit Freunden oder auch einfach mal Netflix dazwischen (und ganz ehrlich wenn ich schon die Wahl zwischen kitschigen Weihnachtsfilmen und Schreiben hab...). Das soll aber gar nicht das Thema sein, ich habe nämlich noch von soooo vielen anderen Dingen zu erzählen. 


Fangen wir einfach mal damit an, dass am 11.11. (in Deutschland ein ja mit dem Karnevalsbeginn positiv konnotiertes Datum) in Kanada denen gedacht wird, die für das Land in den Krieg gezogen, auf dem Schlachtfeld verstorben oder traumatisiert wieder gekommen sind. Es ist ein Tag des Erinnerns und des Versprechens "Lest we forget".  Außerdem ist es aber auch ein Tag, an welchem den Soldat*innen gedankt wird, die momentan im Dienst der Nation stehen. Es werden Reden gehalten, Gottesdienste gefeiert, Poppys angesteckt und die Kadetten maschieren im Gleichschritt durch die Schulaula. Unsere High School schweigt in Gedenken an die Verstorbenen, das Orchester spielt und dann stehen alle auf um die Nationalhymne zu singen. Und da steh ich dann, völlig überwältigt von dieser großen Menge Militär und Nationalstolz, die sich da vor mir in der Schulaula zeigt. Ja, diese ganzen im Gleichschritt maschierenden Kinder in Militäruniformen machen mir Angst. Ja, ich bin Pazifistin und kann mit Militär eh wenig anfangen, aber irgendwas in mir versteht auch, dass die Beziehung zu Soldat*innen hier in Kanada nochmal anders ist. Und so gespalten ich auch bin, was Militärparaden angeht, so kann ich doch auch anerkennen, dass hier Toten gedacht wird. Eltern und Kindern, Onkeln und Tanten, Großeltern und Urgroßeltern. Und es ist eine Zeremonie des Zusammenstehens als eine Nation.

Remembrance Day ist also so oder so ein Erlebnis gewesen und hat mir Kanada nochmal von einer ganz anderen Seite gezeigt.


Ein weiteres Ereignis im November sollte dann am Ende des Monats anstehen. Am 23.11. fuhren alle Internationals unserer Schule gegen Mittag mit einem alten gelben Schulbus nach Halifax. Hierzu muss man wissen, wie unfassbar ländlich wir hier im Annapolis Valley leben. Hier gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel, keine Städte, nur Landstraßen, alles wird mit dem Auto erledigt und man spricht von jemandem noch als seinen Nachbar, wenn die betreffende Person einen Kilometer weiter die schlaglochreiche Straße runter wohnt. Das soll jetzt überhaupt nicht negativ klingen, so ist es hier einfach und das Landleben hat definitiv nicht nur Nachteile. Ich muss das hier nur erwähnen, damit man verstehen kann, warum wir so glücklich und aufgeregt waren, nach 3 Monaten endlich mal wieder in eine Stadt zu fahren um dann auch noch Shoppen zu gehen. Wir alle hatten seit 3 Monaten keinen Bürgersteig, geschweige denn einen H&M gesehen, und die meisten von uns kommen aus Städten rund um die Welt.  Jetzt kann man sich wohl besser vorstellen, welche Stimmung im Bus herrschte, der die mit Schnee gesäumten Straßen in Richtung Halifax fuhr. Dort angekommen ging das chaotische Weihnachtseinkaufen los. Der Tag war gefüllt mit hellen Lichtern des Shoppingzentrums, Crème Brûlée Latte, Pad Thai und Papiertüten. Es war ein Tag voller Lachen, Kleidung anprobieren, Kerzen schnuppern, über Geschenke grübeln und nach dem Weg fragen. Es war ein toller Tag. Super unbeschwert. Und hat mir mal wieder gezeigt, dass ich einfach ein Stadtmensch bin, dass ich laute Stimmen und Chaos und verschiedene Sprachen und Gerüche einfach brauche. Das heißt jetzt nicht, dass ich das Leben hier in sehr ländlichen Verhältnissen doof finde, aber jetzt weiß ich nun mal wie ich später nach diesem Jahr leben möchte und das ist doch schon ziemlich cool. Jetzt aber zurück zu unserem Halifax Trip, denn als wir dann mit circa 20 Tüten bepackt in den Bus einstiegen, da war das Grinsen aus den Gesichtern nicht mehr wegzuwischen. Wir fuhren weiter in die Innenstadt, draußen war es schon ziemlich dunkel und die weißen Atemwolken leuchteten förmlich im Laternenlicht. Karten wurden ausgeteilt, die wir ein paar Minuten später dem Security Guard am Eingang des Hockey Stadions unter die Nase halten sollten. Gut, das Spiel der Mooseheads gegen die New Brunswick Wildcats war jetzt um ehrlich zu sein eher unspannend, cool hingegen war aber die Stimmung dort. Mein linkes Ohr wies nach dem letzten Buzzer zum Ende des Spiels zwar ein Klingeln auf, da mir dauerhaft mit einer roten Kanada-Plastik-Trompete direkt in den Gehörgang getutet wurde, aber hey, der Kaffee dort war gut, die Leute standen bei jeder spannenden Spielsituation und ich hatte Gänsehaut als das ganze Stadion aufstand um zu singen. Also ja, ein sehr erfolgreicher Tag und als ich mich dann gegen 1 Uhr morgens auch endlich ins Bett begeben habe, hatte ich immer noch dieses Grinsen auf meinem Gesicht.